Landgericht Arnsberg, Urteil vom 8.9.2011 (Az.: 4 O 238/11)
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Landgericht Arnsberg, Urteil vom 8.9.2011 (Az.: 4 O 238/11)
Auch bei der plötzlichen erheblichen Verschlechterung einer bekannten oder auch chronischen Erkrankung, die vorher die Reisetauglichkeit nicht beeinträchtigte, besteht Versicherungsschutz. Maßgeblich ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine solche Verschlechterung zu erwarten war.
Die Klägerin wollte zunächst für sich und ihren Ehemann im Herbst 2010 eine Schiffskreuzfahrt nach Südamerika vom 01.03.2011 bis 20.03.2011 mit Hin- und Rückflug buchen. Zu dem Zeitpunkt war die Reise jedoch ausgebucht.
Deshalb buchte die Klägerin für sich und ihren Ehemann am 27.12.2010 eine vom gleichen Reiseveranstalter angebotene Kreuzfahrt in Asien für den Zeitraum vom 29.04. bis 17.05.2011 mit Hinflug von Frankfurt nach Denpasar und Rückflug von Ho Chi Minh City nach Frankfurt. Mit dieser Buchung war eine Reiserücktrittsversicherung mit der Beklagten verbunden. Versichert war unter anderem auch eine unerwartete schwere Erkrankung. Dabei war ein Selbstbehalt der Versicherten von 20 Prozent.
Im Januar 2011 wurde die Klägerin vom Reiseveranstalter informiert, dass nun doch noch Plätze für die Südamerikareise frei waren. Daraufhin buchte die Klägerin auch diese Reise für den Zeitraum vom 01.03. bis 20.03.2011.
Ebenfalls im Januar 2011 stellt die Klägerin Veränderungen an ihren Krampfadern fest. Bereits im Jahr 2001 hatte sie unter Krampfadern gelitten und sich am 19.11.2001 einer Venenoperation unterzogen. Dabei war ihr mitgeteilt worden, dass sie sich wieder behandeln lassen solle, falls erneut Krampfadern auftreten. Deshalb vereinbarte die Klägerin im Januar 2010 einen Termin im Venenzentrum einer Klinik.
Am 08.02.2011 vereinbarte sie dort einen Operationstermin für den 24.05.2011. Eine weitere Voruntersuchung fand am 28.02.2011 statt. Zuvor, nämlich am 15.02.2011 wurde ein beidseitiges Krampfaderleiden diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt bescheinigte der Arzt keine Bedenken gegen einen Langstreckenflug.
In der Zeit vom 01.03.2011 bis 20.03.2011 befanden sich die Klägerin und ihr Ehemann auf der gebuchten Südamerikareise. Beim Rückflug spürte die Klägerin Schmerzen in den Beinvenen. Daraufhin riet ihr Hausarzt wegen einer Thrombosegefahr von der bevorstehenden Asienreise ab.
Die Klägerin stornierte daraufhin die gebuchte Asienreise am 25.03.2011.
Am 31.03.2011 erstellte der Hausarzt der Klägerin eine ärztliche Bescheinigung, wonach eine erste Behandlung der bestehenden Erkrankung bereits fünf Jahre zuvor erfolgte und die Krankheit am 20.03.2011 erneut aufgetreten sei.
Am 03.04.2011 lehnte die Reiserücktrittsversicherung eine Erstattung der Stornokosten mit der Begründung ab, bei der Klägerin bestehe seit vielen Jahren ein Venenleiden. Es sei bekannt, dass auf Langstreckenflügen das Thromboserisiko erhöht sei, deshalb handle es sich nicht um eine unerwartete schwere Erkrankung.
Die Klägerin entgegnete, Sie habe seit der Venenoperation im Jahr 2001 keinerlei Beschwerden an den Venen gehabt und ohne Probleme Flugreisen im Jahr 2010 längere Flugreisen sowie kürzlich die Südamerikareise machen können.
Für sie sei zum Zeitpunkt der Buchung und auch bis zum Abschluss der Südamerikareise nicht mit einer Thrombosegefahr zu rechnen gewesen. Bis zum Rückflug von der Südamerikareise sei sie beschwerdefrei gewesen. Zum Zeitpunkt der Reisebuchung war eine Thrombosegefahr für sie nicht erkennbar.
Die Klägerin begehrt Ersatz von Stornokosten nach Reiserücktritt aus einem mit der Beklagten geschlossenen Reiserücktrittsvertrag. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Erstattung der Stornokosten abzüglich des Selbstbehalts von 20 % verpflichtet.
Die Klage wird angenommen, der Versicherer muss die entstandenen Stornokosten übernehmen.
Die Versicherung muss die Stornokosten abzüglich des Selbstbehaltes erstatten. Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin die Reise wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung storniert, mit der bei Buchung nicht zu rechnen war. Entscheidend ist dabei, ob ein vernünftiger, nicht versicherter Reisender in der Situation die Reise ebenfalls storniert hätte. "Unerwartet" bedeutet nicht, dass die Erkrankung nach Reisebuchung und Versicherungsabschluss völlig neu entstehen muss. Auch bei der plötzlichen erheblichen Verschlechterung einer bekannten oder auch chronischen Erkrankung, die vorher die Reisetauglichkeit nicht beeinträchtigte, besteht Versicherungsschutz. Maßgeblich ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine solche Verschlechterung zu erwarten war. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Buchung am 27.12.2010 mit einer Thrombosegefahr bei einer Flugreise rechnen musste. Auch die ärztliche Bescheinigung vom 31.03.2011 lässt nicht darauf schließen: Auch wenn bereits fünf Jahre zuvor eine solche Erkrankung bestanden hat, bedeutet das nicht, dass zum Zeitpunkt der Buchung mit einer erhöhten Thrombosegefahr gerechnet werden musste. Maßgeblich ist die ärztliche Beurteilung, dass es am 28.02.2011 noch keine Bedenken gegen die Durchführung eines Langstreckenfluges gab. Am 03.04.2011 hatte sich die Klägerin erneut operieren lassen und war hiernach offenbar beschwerdefrei. Allerdings war ihr aus medizinischer Sicht eine Fernreise im Zeitraum vom 29.04. bis 17.05. nicht zuzumuten. Denn eine erhöhte Thrombosegefahr bestand auch danach noch fort.
Alle Entscheidungen dienen der Information und stellen keine Rechtsberatung dar. Die Darstellung der Gerichtsurteile erfolgt ohne Gewährleistung, Ansprüche können daraus nicht abgeleitet werden.
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